Aus dem Russischen von Erich Ahrndt, Alfred Frank, Renate Landa, Larissa Robiné. — Berlin: Volk und Welt, 1988. — 348 S.
Der alte Lokführer (1940).
In der schönen und grimmigen Welt (1941).
Die eiserne Alte (1941).
Menschen, vom Geiste beseelt (1942).
Das Sterben entgelten (1943).
Der Wind als Ackersmann (1944).
Die Kuh (1943).
Aphrodite (1944/45).
Eine Blume auf der Erde (1945).
Nikita (1945).
Trockenes Korn (?).
Heimkehr (1946).
Der bunte Schmetterling (1946).
Noch eine Mama (1947).
Ulja (1947).
Großmutters Häuschen (1947).
Die Liebe zur Heimat oder Die Reise des Spatzen (1950).
Die unbekannte Blume (1950).
Der Antisexus (1926).
Die Nachfahren der Sonne (1922).
Die Heimat der Elektrizität (1926).
Iljitschs Lampe (1926/27).
Die Wiesenmeister (1927).
Lola Debüser: Der tragische Widerspruch zwischen Fortschritt und Humanität bei Platonow (1987).
Der junge Platonow der ersten Revolutionsjahre glaubte, das »Reich des Bewußtseins« werde in allernächster Zukunft triumphieren. Die einfache Wahrheit: »Der Staat - das sind wir!« würde unverzüglich in realgeschichtliche Aktionen umgesetzt. Doch schon Mitte der zwanziger Jahre mußte er begreifen, daß seine Vorstellung, die Revolution habe nur den Menschen »von den Gesetzen der Natur und Geschichte« zu befreien, um »die im Menschen angelegten kommunistischen Grundlagen« freizusetzen, utopisch und voluntaristisch war. Im Namen einer solchen Utopie konnte sich grenzenlose Willkür entfalten. Platonow durchlebte eine schwere seelische Krise. Und die schonungslose Analyze der eigenen frühen Illusionen, der Zweifel und Selbsttäuschungen wurde zu einer unerschöpflichen Quelle neuer Erkenntnisse, künstlerischer Entdeckungen und poetischer Verallgemeinerungen. In seinen reifen Erzählungen enthüllte er die verborgenen Zusammenhänge zwischen Natur, Geschichte, dem Leben des einzelnen Menschen und dem der ganzen Menschheit. Platonows eigene Erfahrungen finden einen unmittelbaren Ausdruck in der Geschichte des Oberst Fomin aus »Aphrodite« (1944/45). Fomin lernt, die oft chaotisch anmutenden Zeiterscheinungen und die Widersinnigkeiten des eigenen Lebens im großen Strom der Menschheitsgeschichte zu erfassen, um Bleibendes von Vergänglichem unterscheiden zu können. Er erwirbt die Fähigkeit, »steinernes Leid zu bezwingen« und »unabhängig von einem Unmenschen oder einer Zufälligkeit« zu werden.
Welchem Thema der »kleinen« und der »großen Welt« sich Platonow in seinen Erzählungen auch zuwendet, immer wird er zum Erstentdecker verborgener seelischer, geistiger, sozialer und geschichtlicher Prozesse. Das bestimmt auch die Einzigartigkeit seiner Poetik und Sprache. »Zunächst wurde ich auf Platonows Sprache aufmerksam«, schreibt der Literaturphilosoph Juri Karjakin. »Das ist keine glatte, ausgefahrene Chaussee, sondern ein Wald, häufig ein Dickicht, wo vom Sturm entwurzelte Bäume zum Stehenbleiben, zum Nachdenken zwingen... Der >Stoff<, aus dem Platonows Sprache entspringt, krümmt und windet sich gleichsam. Es hat den Anschein, als sei er noch nicht geordnet. Er ist lebendig, beseelt. Man hat den Eindruck, daß er unter Qualen die Wahrheit gebiert.« Platonow hat auch das Geheimnis seines eigenen Schaffens enthüllt, als er 1938 schrieb: »Um das Leben zu verändern, es in eine glückliche Zukunft umzuwandeln, muß man schon zu Beginn des Kampfes diese Zukunft in sich tragen, wenigstens in verborgenem Zustand, als Keim, als ein Element des persönlichen Charakters...«.