Mannheim: Bibliographisches Institut, 1969 — 167 S. — ASIN: B002N5XAW0
die Sprache ist von ihren Sprechern und von den gesellschaftlichen Verhältnissen, die in einer Sprachgemeinschaft herrschen, nicht zu trennen. Man kann die verschiedenen Sprachebenen von der sogenannten Gossensprache bis zur höchsten dichterischen Sprachform mit den sozialen Rangstufen vergleichen, und sie werden durchaus als Merkmale gesellschaftlicher Stellung verstanden. Auch in der Sprache gibt as - mit einem Fachausdruck der Soziologie - eine "soziale Kontrolle". Wer die gehobenen Ausdrucksweisen nicht beherrscht, gegen ihre Regeln verstoßt, verliert in den Augen vieler Mitmenschen sofort an Achtung und Autorität. Das Urteil "Der kann ja noch nicht einmal richtig Deutsch" bedeutet eine Deklassierung. Zwar bezieht sie sich vornehmlich auf den Bildungsstand, also nicht unmittelbar auf den sozialen Status, aber Bildung ist von den Gesellschaftsklassen auch nicht völlig zu trennen, vor allem so lange nicht, wie man unter Bildung eine bestimmte Art und Menge von Kenntnissen und die Einhaltung bestimmter Umgangsformen versteht. In vielen Witzen werden die gesellschaftlichen Emporkömmlinge, die Familien Neureich, gerade durch ihren nicht "gesellschaftsfähigen" Sprachgebrauch charakterisiert, und wie oft hat man schon gehört: "Eine schone, vornehme Frau, eine richtige Dame! Aber wenn sie den Mund aufmacht, merkt man doch, woher sie kommt." Diese Beispiele bezeugen, wie eng Sprachform und gesellschaftlicher Rang miteinander verknüpft sind. Wer sozial aufsteigt, wird sich deshalb unter anderem auch darum bemühen, die - von seinem Standpunkt aus - höhere Sprachstufe zu erreichen.