(Patrick Suskind Dove)
Die Taube ist der Titel einer Novelle aus dem Jahr 1987 von Patrick Süskind.Nach zwei drastischen Erlebnissen in seiner Vergangenheit (die Deportation seiner Eltern in ein Konzentrationslager und seine missglückte Ehe), an die er sich am liebsten gar nicht mehr erinnert, zieht Jonathan Noel ein ereignisloses Leben vor. Er zieht nach Paris, wo er eine Arbeit als Wachmann einer Bank und ein Zimmer findet. Dieses Zimmer bietet zwar keinen Komfort, ist aber das einzig Verlässliche in seinem Leben. Nur noch eine Rate ist fällig, dann gehört es ihm, und die Gleichförmigkeit seines Lebens ist garantiert. Er lebt nach einem minutiös festgelegten Tagesablauf, absolut genügsam, gewissenhaft und freiwillig einsam. Dann jedoch, eines Freitagmorgens im August 1984, sitzt plötzlich und unerwartet eine Taube vor seiner Zimmertür. Dieser Vorfall wirft seinen gesamten Lebensplan durcheinander. Er weiß nur, dass er nicht mit einer Taube, dem Inbegriff von Chaos und Anarchie, unter einem Dach leben kann. Schwer vermummt und mit gepacktem Koffer wagt er den Ausfall aus seinem Zimmer. Er glaubt, nicht mehr zurückkehren zu können.
Auf dem Weg zur Bank informiert er die Concierge, von der er sich immer beobachtet fühlt, über die Taube. Er hat jedoch keine Hoffnung, dass sie etwas unternehmen wird.
Nur durch die Taube aus dem Gleichgewicht gebracht, wird der Tag für Jonathan zum Desaster. Am Vormittag verpasst er es, der Limousine seines Chefs das Tor zu öffnen, für ihn ein unverzeihliches Vergehen. Am Mittag nimmt er sich das billigste Zimmer in einem Hotel, um nicht mehr nach Hause zurückkehren zu müssen. Dann geschieht ein weiteres, für ihn niederschmetterndes, Ereignis: Er zerreißt versehentlich seine Hose im Park. Der Nachmittag, den er mit notdürftig geflickter Hose wieder Wache haltend vor der Bank verbringt, verläuft auch nicht besser. Jonathan will leiden; er empfindet einen solchen Selbsthass, dass sich dieser irgendwann auf die äußere Welt ergießt. Am liebsten würde er alles niederschießen, aber er erkennt selbst: Er ist kein Täter, sondern ein Dulder. Er wünscht sich, es wäre alles zu Ende.
Nach Dienstschluss lässt er sich einfach treiben, wandert orientierungslos durch Paris, bis er erschöpft und hungrig in sein Hotel zurückkehrt. Dort isst er in seinem Zimmer ein Mahl, von dem er glaubt, es sei sein letztes. Er geht zu Bett mit dem Gedanken, sich morgen umzubringen.
In der Nacht gibt es ein heftiges Gewitter. Jonathan glaubt zuerst, die Welt gehe unter. Dann meint er, er sei noch ein Kind, habe alles nur geträumt und draußen sei Krieg. Voller Angst vor dem Verlassensein merkt er, dass er ohne die anderen Menschen nicht leben kann. Es beginnt zu regnen und Jonathan erlangt seine Orientierung zurück. Er steht auf und geht nach Hause.
Die Taube ist verschwunden.